Handschlag zwischen zwei Menschen, die Frau lächelt und wirkt sympathisch

Traum- oder Albtraumkunden? Was ich von meinen Kunden erwarte

In diesem Blog nehme ich an der Blogparade von Silvia Schulz über Kunden teil.

Echte Albträume mit Kunden, schon gar Albtraumkunden, hatte ich als Übersetzerin nie, wohl eher einige Anfragen, Ansprüche und Erwartungen, die ich nicht erfüllen konnte oder wollte.

Deswegen nehme ich diesen Aufruf zum Anlass, um diesmal den Spieß umzudrehen und zu zeige, was ich von meinen Kunden als Übersetzerin für Marketing und Urkundenübersetzerin erwarte.

Der Ton macht die Musik

Die Grundlagen jeder Kundenbeziehung

Wir alle sind Menschen, selbst in der Kundenbeziehung.

Bei Geschäften geht es im Grunde genommen auch nur um Beziehung und Vertrauen.

Manchmal kaufen wir eher das teuerste Produkt als das billigere, das aber nicht vertrauenswürdig genug ist.

Und der Ton beginnt schon bei der Anfrage.

Spielst du als potenzieller Kunde in der Anfrage gleich die falsche Musik, ahne ich schon, bevor ich antworte, dass die Beziehung nicht lange dauern oder erst beginnen wird.

Hier kommt eine unvollständige eine Liste von "falscher Musik" bei Anfragen:

  • Keine Anrede (mangelnder Respekt, oder Desinteresse)
  • Übersetzung bitte für morgen bzw. super eilig, und zwar ohne zu fragen, ob ich überhaupt kann
  • Preis schon mitgeliefert oder gleich um einen Rabatt bitten - macht man täglich im Einzelhandel, nicht wahr 🙂
  • Den zu übersetzenden Text nicht mitliefern, auch bei Urkunden nicht. Schön, wie soll ich dir erst ein Angebot geben können?
Symbolbild mit dem Text Kundenanfragen im Abschnitt über die Kundenanfragen

Als Übersetzerin erwarte ich nicht, dass man sich ins Detail mit dem Übersetzungsprozess auskennt.

Wohl aber, dass man mit ein bisschen Menschenverstand und Empathie die Anfrage schickt:

Wir arbeiten mit Texten, also müssen wir den Text sehen, um ihn einschätzen zu können.

Wir arbeiten mit verschiedenen Aufträgen gleichzeitig, also müssen ich planen können.

Wir haben unsere Preise kalkuliert, weil wir davon leben, also bestimmen wir unsere Preise, nicht der Kunde.

Im Übrigen habe ich darüber schon mal in diesen zwei Blogartikel geschrieben: Kundenanfragen, die nicht weiterhelfen, sowie über meine Arbeit hinter den Kulissen: Projektmanagement - Kontaktaufnahme bis Übersetzung.

Meine Erwartungen bei der Kontaktaufnahme

Also was erwarte ich bei der Kontaktaufnahme für ein Übersetzungsprojekt?

Sehr kurz zusammengefasst: Informationen.

Deine Informationen. Alles, was für das Projekt bzw. die Anfrage wichtig ist.

Etwas ausführlicher erklärt:

  1. Der Text, den du übersetzt haben möchtest.

Es ist eine Binsenweisheit an, aber ich übersetze tatsächlich Texte. Wie soll ich wissen, was ich übersetzen soll, wenn ich ihn nicht sehen darf? 🙃

Und ich übersetze nur in meinen Sprachkombinationen, die auf dieser Webseite klar kommuniziert werden.

Das gilt auch für die beglaubigten bzw. bestätigten Übersetzungen.

Ich bin nicht für Englisch beeidigt, also kann ich das nicht anbieten.

Die Anfrage bekomme ich ab und zu, und sogar für weitere Sprachkombinationen, zum Beispiel einmal für Bulgarisch.

Wie ich du dir vorstellen kannst, vergesse ich so eine Anfrage nicht so leicht 😀

Bei Urkunden gibt es zudem weitere Voraussetzungen. Viele Fragen wiederholen sich.

Diese habe ich im Blogbeitrag Fragen zur Urkundenübersetzung erklärt geantwortet.

2. Gewünschtes Lieferdatum

Mit dieser Information kann ich einschätzen, ob ich überhaupt kann ("Kapazitäten haben" im Freiberuflerjargon).

Manchmal habe ich viel zu tun und weiß nicht, womit ich anfangen soll.

An anderen Tagen aber, anstatt Daumen zu drehen, schreibe ich zum Beispiel Blogbeiträge 😀

3. Der Preis ist nicht verhandelbar

Die meisten Kunden fragen bei der Kontaktaufnahme nach dem Preis. Das ist OK und ich antworte immer entsprechend.

Aber einige kommen schon bei der ersten Kontaktaufnahme mit Extrawünschen.

Früher habe ich mich ab und zu darauf eingelassen.

Letztes Jahr fragte ein Mann nach der Übersetzung seines Scheidungsurteils. Er war arbeitslos und er hat mich gleich bei Kontaktaufnahme um einen Rabatt gebeten.

Aber das mache ich nicht mehr. Meine Arbeit und mein Wissen haben nicht nur einen Wert, sondern bieten eine Lösung für das, was die Menschen bei mir suchen.

Und da wir alle Verbraucher sind, denke ich, ist das nicht schwierig nachzuvollziehen, oder?

Kundenbeziehungen sind wie Privatbeziehungen

Sie können nämlich beginnen und fortdauern

Wenn der erste Schritt der Kontaktaufnahme abgeschlossen ist, beginnt meine Arbeit.

Dann kann auch die Beziehung zum Kunden beginnen, wenn er oder sie zufrieden war, wie man gewöhnlich sagt.

Dazu habe ich einige schöne Beispiele:

  • Zwei Übersetzungsagenturen, mit denen ich seit mehr als fünf Jahre immer noch arbeite. Beide sehr unterschiedlich im Kommunikationsstil, aber zuverlässig. Dann bin ich es auch.
  • Zwei Firmen, für die ich regelmäßig Blogartikeln und Produktbeschreibungen übersetzt habe. Wir haben jahrelang zusammen gearbeitet, aber jetzt nicht mehr, aus mehreren Gründen.
  • Ein Privatkunde, der über ein Jahr lang das Erbe seiner Eltern abgewickelt hat und er mir mehrere Urkunden für die spanischen Behörden geschickt hat.
  • Ein weiterer Privatkunde, der zuerst geheiratet hat und ein Jahr später die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt hat. Für beide Anlässe hat er beglaubigte Übersetzungen für deutsche Behörden gebraucht.

Sie können aber auch enden

Das passiert auch, andauernd. Manchmal aus externen Gründen, aus denen wir keinen Einfluss haben.

Wie die zwei Beispiele von oben: Bei der einen Firma habe ich erfahren, warum sie das Verhältnis beendet haben: Sie haben damals in Spanien Filialen gegründet und die Übersetzungen (Spanisch und Katalanisch) von Köln aus verwaltet.

Als das Geschäft in Spanien aufgebaut war, haben sich die Filialen um ihre Texte direkt gekümmert.

Bei der anderen Firma weiß ich die Gründe nicht, was ich bedauere, aber so ist das Leben.

Manchmal sage ich als Freiberuflerin aber ganz klar Nein. Vier Beispiele:

1# Unvergessen der Kommentar eines Kunden, der von mir einen Rabatt verlangte (wieder mal), weil die Übersetzung ins Spanische ja "einfacher sei als die Übersetzung ins Englische".

Ach, er wusste von meiner Arbeit also mehr als ich! Danke schön, aber ich verzichte.

2# Bei einem anderen habe ich die Aufgabe gar nicht verstanden. Es ging darum, die Übersetzungen nach einer Liste von Kriterien zu klassifizieren, die der Kunde sich ausgedacht hat.

Die Bewertungen musste ich in seinem System eingeben, und man kam nur voran, wenn ein erster Teil vollständig war.

Aber ich konnte nicht vorankommen, weil ich die Kriterien erst nicht kapiert habe.

Es kam zu einem Hin- und Her in der E-Mail-Kommunikation. Ich bat um ein Telefongespräch, aber sie haben es abgelehnt (interne Richtlinie, hieß es).

Am Ende habe ich die Reißleine gezogen. Die Bewertungskriterien waren nicht klar, die Kommunikation nicht transparent genug - ich habe den Auftrag zurückgezogen.

Und meine Vermutung hat sich bestätigt. Sie haben mich seitdem nicht mehr beauftragt.

3# Dann gibt es den Typ Kunde (eher Verbraucher), die nach einer "kostengünstigen" Lösung sucht.

Im prä-KI-Zeitalter waren es Übersetzungsagenturen.

Eine ehemalige Kundin hat es mir so mitgeteilt, weil sie danach zurück zu mir gekommen ist. Die meisten sagen es nicht, man konnte es sich aber ausdenken.

Jetzt ist vermutlich die KI dran. Das Thema macht gerade die Runde unter uns Übersetzern, und auch ich habe eine Abnahme im Bereich Marketingübersetzungen gespürt.

Da niemand eine Glaskugel hat, bleibt es abzuwarten und sich selbst weiterzubilden.

4# Ein weiterer Grund, dass wir einfach nicht die gleichen Werte teilen. Das Thema wird oft in Übersetzerforen diskutiert.

Würdest du für die AfD übersetzen? Für einen Waffenlieferanten? Und vieles mehr.

Einmal habe ich die Übersetzung eines Zeitungsartikels abgelehnt, der sich mit der Lage in Katalonien befasst hat, als das Unabhängigkeitsthema in aller Munde war.

Warum habe ich abgelehnt? Der Journalist hat unsachlich, fast diffamiserend über die Katalanen berichtet, die sich für die Unabhängigkeit des Landes eingetreten sind. Als hätten sie kein Recht dazu.

Das habe ich dem Journalisten auch so kommuniziert, etwa: "Ich habe kein Problem damit, dass Sie sich gegen die Unabhängigkeit Kataloniens positionieren. Wohl aber, dass sie den Menschen dort ihre Meinungsfreiheit absprechen und so abschätzig über sie schreiben. Ich werde diese Haltung mit meiner Übersetzung nicht unterstützen."

Also habe ich diesen Text nicht übersetzt.

Aufträge, die ich nicht übernehmen kann

Und schließlich bleiben die Aufträge, die ich schlicht nicht annehmen kann.

Zum Beispiel, weil ich die Sprachkombination nicht anbiete, oder auch das Fachgebiet (Medizin, audiovisuelle Untertitelung ...).

Bei diesen Anfragen gibt es gar keine Dauer der Beziehung, weil diese erst gar nicht entstehen kann.

Aber auch als Urkundenübersetzerin kann ich und darf ich nicht alles machen.

Das erzähle ich in diesem weitere Blogartikel Was ist als Urkundenübersetzerin nicht machen kann, denn dieser ist schon lang genug geworden 😇

Was Kunden im Umgang mit mir erwarten dürfen

Jetzt drehen wir den Spieß wieder um. Was darfst du bei mir jenseist meiner Dienstleistung erwarten?

Das habe ich oben schon immer wieder angerissen. Hier noch einmal in drei Punkten:

  • Du darfst bei mir gute Arbeit erwarten. Dafür brauche ich die nötige Zeit zum Recherchieren, wenn es nötig ist, oder einfach, weil ich mit anderen Aufträgen beschäftigt bin. Vielleicht ist deine Übersetzungsanfrage gar nicht so eilig? (Schon alles erlebt 😄)
  • Du bekommst bei mir durch meine Übersetzungen nicht nur einen Wert (meine Expertise und mein Wissen), sondern ich löse damit dein Problem oder Wunsch. Wenn für dich aber nur der Preis zählt, werden wir leider keine gute Freunde werden, fürchte ich ...
  • Du darfst ferner auch eine transparente Kommunikation erwarten, was der gewünschte Auftrag angeht. Dazu gehört auch kritisches Feedback, wenn er respektvoll geäußert wird. Auch ich mache Fehler. Wenn es nachvollziehbar ist und ich den Fehler beheben kann, dann korrigiere ich ihn gerne.

Wenn dir das alles als Kundin oder als Kunde anspricht, dann steht einer Geschäftsbeziehung zwischen mir und dir nichts im Weg und ich freue mich, mit dir zusammen zu arbeiten 😀

Was hältst du von meiner Haltung als Übersetzerin und Freiberuflerin? Schreib gerne deine Gedanken hier unten im Kommentarfeld!

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