Spanisch in Spanien und Lateinamerika. Ein Fall fürs Lektorat

Lektorat einer Broschüre über Nachhaltigkeit

Vor ein paar Monaten erreichte mir eine sehr interessante Anfrage für ein Lektorat für Spanisch.

Ich sollte einen Leitfaden von ungefähr 50 Seiten über Nachhaltigkeit und Ökosysteme in der Karibik, die zwei Experten auf dem Gebiet Nachhaltigkeit verfasst hatten, korrigieren.

Die Broschüre richtete sich an wirtschaftliche und politische Entscheidungsträger der betreffenden Länder in der Karibik.

Aber warum ist ein Lektorat notwendig ist, wenn die Autoren Muttersprachler sind? Hier kannst du nachlesen, warum ein Lektorat notwendig ist.

Aufgaben des Lektorats

Außer dem klassischen Lektorat auf Prüfung von Rechtschreibung, Grammatik und Überprüfung von Abkürzungen, sollte ich auf folgenden Punkte achten:

  • Dopplungen vermeiden. Ich sollte gezielt schauen, ob bestimmte Informationen in verschiedenen Abschnitten mehrmals erwähnt wurden und deshalb gekürzt werden konnten.

Das war bei diesem Lektorat der Fall. Die Autoren hatten manche Informationen in unterschiedlichen Absätze doppelt vorgebracht.

  • Lesbarkeit. Hier meinten die Auftraggeber, dass ich die Stellen markieren sollte, die durch eine Infografik oder eine lockere Liste aufgelockert werden konnten.

Das war in der der Tat so, vor allem in den Absätzen, in denen die Autoren Statistiken beschrieben hatten.

Die Autoren haben sehr gut geschrieben, gar keine Frage, aber ihr Spanisch war an bestimmten Stellen etwas blumig und schwerfällig. Da habe ich meine Lektoratsschere angesetzt.

  • Genderform. Der Leitfaden sollten durchgängig ein gendergerechtes Spanisch verwenden.

Interessant war, dass der Auftraggeber mir konkrete Anweisungen dazu gegeben hat, wie sie sich dieses gendergerechtes Spanisch wünschten. Ich war damit natürlich einverstanden.

Unterschiede zwischen Spanisch aus Spanien und Lateinamerika

Noch spannender war für mich aber festzustellen, welche Unterschiede es zwischen meinem Spanisch aus Spanien und dem aus Lateinamerika gibt. Und das in einem nahezu wissenschaftlichen Text.

Die allgemeinen Unterscheide zwischen dem Spanisch aus Spanien und aus Lateinamerika kann man schnell finden. Zum Beispiel in einem Blogbeitrag der bekannten Lernapp Babbel oder etwas ausführlicher auf dieser Plattform für Sprachkurse.

Was mir beim Lektorieren auffiel

Aber all diese Quellen befassen sich vor allem mit umgangssprachlichem Spanisch.

In meinem Fall war jedoch das Sprachregister viel formeller, denn es handelte sich um einen Text, der Wissenschaft an Entscheidungsträger vermittelte. Und da hatte ich keine großen Unterschiede erwartet.

Aber ich irrte mich, und ich musste dann doch diese Unterschiede recherchieren und verstehen.

Die Unterschiede

Das Verb afectar. Mit einem a oder ohne a?

In Spanien wird das Verb afectar (betreffen) mit der Präposition a verwendet, in Lateinamerika eher nicht. Hier ein Beispiel aus dem Leitfaden:

"... puede significar el establecimiento de restricciones en la construcción de complejos turísticos que afecten sus costos". (Es kann die Einführung von Einschränkungen im Bau von touristischen Anlagen bedeuten, die ihre Kosten betreffen).

Das Verb informar. Mit der Präposition de oder ohne?

In Spanien verwendet man das Verb informar (informieren) mit den Präpositionen de (informar de algo). In Lateinamerika dagegen verzichtet man auf die Präposition.

  • Nos informaron de que ya habían enviado el documento. (Man hat uns darüber informiert, dass sie das Dokument schon geschickt hatten.
  • Nos informaron que ya habían enviado el documento.

Fragenpronomen ¿cuál? (welche/r/s)

In Kombination mit einem Substantiv wird in Spanien ¿cuál? nicht verwendet, sondern ¿qué? In Lateinamerika jedoch ist diese Kombination sehr üblich.

  • ¿Cuál combinación de métodos puede ayudar a resolver estas preguntas? (Welche Kombination von Methoden kann dafür sorgen, dass diese Fragen gelöst werden?

Auf Spanisch aus Spanien sagt man dazu:

  • ¿Qué combinación ...? oder ¿Cuál es la combinación...?

Die Verben concienciar und concientizar (sensibilieren, bewusst machen):

Beide Verben sind im Wörterbuch der Real Academia Española aufgenommen. In Lateinamerika benutzt man concientizar, in Spanien concienciar.

Entscheidung für das Lektorat

Diese Recherche bedeutete für mich, dass das keine Fehler waren, die ich korrigieren sollte, im Gegenteil.

Nicht nur aus Gerechtigkeit, linguistischen Kenntnisse, oder wie ihr das bennenen möchten. Der Auftrag war in dieser Hinsicht auch klar:

"Der Leitfaden wurde auf lateinamerikanischem Spanisch verfasst und wird ebenfalls auf lateinamerikanischem Spanisch veröffentlicht werden".

Und so ist es auch geblieben :-)

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